Carl Spitzweg

Der Husar (Husar auf der Straße mit nachguckenden Mädchen)
Lot ID
Los 30
Artist
Carl Spitzweg
Additional Description
Öl auf Leinwand. (Um 1870). 34,7 x 22,1 cm. Verso sowie auf der Keilrahmenrückseite mit dem Nachlassstempel (Lugt 2307). Verso auf einem fest aufgehefteten Papier die Echtheitsbestätigung von Adolf Alt, 1934. Gerahmt.
Details
Roennefahrt 825; Wichmann 1610.
Period
(1808 - München - 1885)
Technique
Gemälde
Ausstellung
„Gedächtnis-Ausstellung“, Kunstverein München 1908, Kat.-Nr. 25 (mit dem Titel „Am Brunnen“);Carl Spitzweg (1808-1885). Vor und hinter den Kulissen, Schlossmuseum Murnau, 2009, Ausst.-Kat. (bearb. von Brigitte Salmen), S. 183, Kat.-Nr. 83, mit farb. Abb. auf S. 115.
Literature
Günther Roennefahrt, Carl Spitzweg. Beschreibendes Verzeichnis seiner Gemälde, Ölstudien und Aquarelle, München 1960, S. 223, Kat.-Nr. 825, mit Abb;Siegfried Wichmann, Carl Spitzweg. Kunst, Kosten und Konflikte. Frankfurt/Berlin 1991, S. 340, Kat.-Nr. 278;Siegfried Wichmann, Carl Spitzweg. Verzeichnis der Werke, Stuttgart 2002, S. 581, Kat.-Nr. 1610, mit Abb.
Provenance
Bei der Erbaufteilung zwischen Otto und Eugen Spitzweg fiel das Bild an Eugen, der es 1911 expertisierte;Sammlung J. Meder, München;Hugo Helbing, München, Auktion, 11.6.1912, Los 154, Taf. 39 (mit dem Titel „Am Brunnen“), aus der Sammlung J. Meder, München;Lempertz, Köln, Auktion, 15.-17.5.1956, Los 199, Taf. 26;Privatsammlung, Nordrhein-Westfalen;Van Ham, Köln, Auktion, 17.11.2006, Los 1480 (€ 40.000);seitdem in Privatbesitz, Süddeutschland.
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Beschreibung
Ähnlich wie Adolph Menzel war auch Carl Spitzweg ein großer Beobachter seiner Mitmenschen, denen er mit subtiler Ironie, nie mit Spott, in ihrem Alltag begegnete. Da gibt es den Briefboten, den Kaktusfreund oder den Astronomen, die ihren seltsamen Beschäftigungen nachgehen. Es sind alles Eigenbrödler und Sonderlinge und dies ist in gewisser Weise auch unser Husar, der die enge Gasse eines Dorfes durchschreitet, offensichtlich ohne Ziel und Orientierung. Man könnte versucht sein, in dem Motiv der engen Gasse nur eine gewöhnliche Genreszene zu erkennen, doch steckt sie wie so oft bei Spitzweg voller Symbolik. Der Husar wirkt verloren in dem Dorf, gefangen in seiner Enge, die durch das hoch aufragende Bergmassiv im Hintergrund noch effektvoll gesteigert wird. Er ist ein Fremdling, mit exotischer Tracht, der die Aufmerksamkeit zweier junger Frauen erregt, die ihre Arbeit unterbrochen haben und ihm nachsehen. Sie tragen Dirndl, sind mit ihren weißen Blusen und blauen Schürzen, die als Farbkleckse herausleuchten, durchaus festlich gekleidet, vielleicht bereit, auszugehen. Sie scheinen ob der Exotik des Husaren auch interessiert zu sein und sich zu fragen, wohin sein Weg ihn führt und was ihn veranlasst hat, ihr Dorf aufzusuchen. Oder steckt doch noch mehr dahinter? Die beiden jungen Frauen tragen weiße Blusen – weiß ist in der christlichen Ikonografie die Farbe der Reinheit und Jungfräulichkeit, weshalb die Jungfrau Maria oft etwas Weißes zugeordnet ist. Spitzweg war sich der christlichen Symbolik sicher bewusst, und um diese noch zu betonen, lässt er vor den beiden Frauen drei weiße Tauben herumpicken. Der Husar ist bereits vorbeigezogen, doch das Ereignis hallt bei den Frauen noch nach – sollte es eine verpasste Gelegenheit sein, die die Liebe auch damals schon bereithielt? Sollten sie enttäuscht sein über das, was hätte sein können, ihn nicht angesprochen zu haben und dass diese Gelegenheit buchstäblich vorbeigezogen ist? Es sind solche Doppeldeutigkeiten, die das damalige Publikum sicher verstanden hat, die davon erzählen, wie Spitzweg nicht nur christliche Symbolik profanisiert sondern auch erste, vergebliche Begegnungen zwischen den Geschlechtern schildert. Die beiden jungen Frauen werden zusammen mit dem Betrachter zu Beobachterinnen einer Szene, die Spitzwegs Stadtbildern ähnelt, in denen er die Komposition häufig als enge Schlucht gestaltet. Hier stehen sich die Häuserzeilen dicht gegenüber, in ihrer Erscheinung deutlich charakterisiert: Während links die verschatteten Giebelhäuser einer süddeutschen Stadt vorherrschen, weist die rechte, in der Sonne stehende Seite auf südlichere Gefilden, wie sie Spitzweg etwa auf seinen Reisen nach Südtirol kennengelernt hat. Bei unserem kleinen Gemälde handelt es sich um die Skizze für das ausgeführte Gemälde „Der Husar“, das sich heute in der Neuen Pinakothek befindet (Inv. Nr. 15290). Gegenüber der ausgeführten, im Atelier entstandenen Fassung ist unser Gemälde als Skizze aufgefasst, die einen anderen Spitzweg zeigt: Mit breitem Pinsel werden die Häuserzeilen großzügig zusammengefasst, das Licht kontrastreicher eingesetzt und das Gegenständliche mit wenigen Strichen fixiert – besonders gut sichtbar an den weißen Tauben oder im Vordergrund, dort wo sich der Wasserstrahl in den Brunnen ergießt. Hier wird sichtbar, wie sehr Spitzwegs Malerei dem Augenblicklichem verpflichtet ist und was für ein überragender Kolorist er ist. Dr. Peter Prange