Franz von Stuck
Damenbildnis à la japonaise
Beschreibung
Kostümierungen in exotischer Tracht durchziehen Franz von Stucks gesamtes Werk – bekannt sind seine zahlreichen Rollenporträts von seiner Tochter Mary im spanischen Kostüm, sei es als Torero oder als Infantin nach Diego Velasquez' berühmten Gemälde von der Infantin Margareta Theresia im Madrider Prado. Auch gibt es manch weibliches Bildnis als Ägypterin, als Römerin oder als Griechin, denen allen gemeinsam ist, dass sie umgeben sind von einer Aura des Geheimnisvollen und Rätselhaften - und dies durchaus im wörtlichen Sinne, denn meistens ist die Dargestellte unbekannt. Dies gilt auch für unser Bildnis, das in Bezug auf Exotik in Stucks Werk einen neuen Aspekt hinzufügt, der den Blick auf eine außereuropäische Kultur richtet: Es zeigt eine unbekannte Dame in einem japanischen, kunstvoll bestickten Kimono, die den Betrachter zwar anschaut, doch hat sie den Kopf leicht nach hinten gelegt – eine selbstbewusste, beinahe herausfordernde Geste voller Sinnlichkeit. Dabei strahlt sie eine Unbefangenheit und Natürlichkeit aus, die sie von anderen, posenartigen und gestellten Inszenierungen Stucks deutlich unterscheidet. Wie so häufig bei Stuck scheinen Dargestellte und Hintergrund ineinander überzugehen, weil farblich und in der streifigen Malweise kaum zu unterscheiden, doch umso mehr strahlen der rote Kragen und der geknotete Obi-Gürtel, der eine Art Sockel für die Büste bildet. Die junge Frau ist stark geschminkt mit kleinem roten Mund, rotem Rouge auf den Wangen und einem hellen Teint, der vielleicht an den puppenhaften Porzellan-Effekt der japanischen Geishas erinnern soll. In ihrem vollen, in der Stirn zurückgelegten Haar trägt sie zwei Haarnadeln, die traditionellen Kanzashis, die als Glücksbringer und in neuerer Zeit zumeist nur noch von Bräuten getragen wurden. Ob die Dargestellte wirklich Braut ist, muss offenbleiben. Seit sich Japan nach jahrhundertelanger Isolation 1873 erstmals auf der Weltausstellung in Wien dem Westen präsentiert und 1885 in München die erste Japan-Ausstellung in Deutschland stattgefunden hatte, wurde die Stadt von einem regelrechten Japanfieber erfasst. Besonders die 1886 im Gärtnerplatztheater aufgeführte Operette „Der Mikado“ prägte das Japanbild als westliche Fantasie mit üppigen Kostümen und sinnlicher Musik – in der Folge sollen bis zu hundert Geschäfte die Münchner Gesellschaft mit japanischen Stoffen, Geräten und Schmuck versorgt haben. Als „Der Mikado“ 1889 in München nochmals aufgeführt wurde, malte Franz von Lenbach den beliebten Schauspieler Konrad Dreher in seiner Rolle als Mikado; bereits zuvor hatte Julius Exter seinen Mitstudenten an der Kunstakademie Harada Naojiro porträtiert und Emil Orlik war 1900 nach Japan gereist, wo er Eindrücke gewann, die sein künstlerisches Werk fortan bestimmen sollten. Um dieselbe Zeit hat auch Stuck der Japanmode seine Referenz erwiesen, als er unser Bildnis malte. Noch im gleichen Jahr hat er dasselbe Modell „a la Japonaise“ auch im Profil gemalt (vgl. Sotheby’s London, 6. Juni 2012, Los 19). Das Gemälde geht auf ein gleichzeitig entstandenes Foto zurück, auf dem Franz oder Mary Stuck das Modell im Profil aufgenommen haben (München, Museum Villa Stuck, Ph-P-94/797-61). Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch für unser Gemälde ein heute verlorenes bzw. nicht überliefertes Foto existierte, das Stuck als Vorlage diente. Wir wissen heute, dass sich Stuck die neue Technik der Fotografie zu Nutze machte, indem er nach eigenen Fotos malte. Auch seine „japanischen Studien“ setzte Stuck um 1900 fort, als er das Modell Lydia Feez im Kimono fotografierte und im Jahr 1900 auch malte. (Voss 206/516). Das Gemälde befand sich ausweislich einer vor 1902 entstandenen Fotografie zu diesem Zeitpunkt noch im Atelier der Villa Stuck (Abb., vgl. „Franz von Stuck. Die Sammlung des Museums Villa Stuck“, hrsg. von Jo-Anne Birnie Danzker, bearbeitet von Barbara Hardtwig, München 1997, S. 2/3) und kam möglicherweise bereits von dort in den Besitz des Stuck-Schülers Max Ackermann. Dr. Peter Prange